Artikel im PDF Format

+Agapit, Bischof von Stuttgart

Vergangenes Jahr gedachten wir der Großtat des heiligen Apostelgleichen Kaisers Konstantin. Vor 1700 Jahren stellte er sich in den Dienst des Christentums (Mailänder Edikt) und führte in der Folge die Alleinherrschaft eines orthodoxen Kaisers ein. Aus diesem Anlass zelebrierten wir als orthodoxe Bischöfe in Deutschland die göttliche Liturgie in der Konstantinsbasilika zu Trier – dort, wo einst der Thron des heiligen Konstantin stand und wo er das 30-jährige Jubiläum seiner Herrschaft beging; allem Anschein nach war unsere panorthodoxe Liturgie die erste orthodoxe Liturgie in der Geschichte dieser Basilika überhaupt.

Artikel im PDF Format

Sobald nun Samuel den Saul sah, ließ ihn der HERR wissen: Siehe, das ist der Mann (ἰδοὺ ὁ ἄνθρωπος), von dem ich dir gesagt habe, dass er über mein Volk herrschen soll!  

1Sam 9,17

Nun kam Jesus heraus und trug die Dornenkrone und den Purpurmantel. Und er spricht zu ihnen: Seht, das ist der Mann (ἰδοὺ ὁ ἄνθρωπος)!  

Joh 19,5

Es war aber Rüsttag für das Passah, und zwar um die sechste Stunde, Und er sprach zu den Juden: Seht, das ist euer König!

Joh 19,14

 

+Agapit, Bischof von Stuttgart Vergangenes Jahr gedachten wir der Großtat des heiligen Apostelgleichen Kaisers Konstantin. Vor 1700 Jahren stellte er sich in den Dienst des Christentums (Mailänder Edikt) und führte in der Folge die Alleinherrschaft eines orthodoxen Kaisers ein. Aus diesem Anlass zelebrierten wir als orthodoxe Bischöfe in Deutschland die göttliche Liturgie in der Konstantinsbasilika zu Trier – dort, wo einst der Thron des heiligen Konstantin stand und wo er das 30-jährige Jubiläum seiner Herrschaft beging; allem Anschein nach war unsere panorthodoxe Liturgie die erste orthodoxe Liturgie in der Geschichte dieser Basilika überhaupt.

Das vergangene Jahr war zugleich auch ein Gedenkjahr an das Ende der Alleinherrschaft eines orthodoxen Monarchen - Nikolaus II. von Russland. Beide Herrscher sind in der Orthodoxen Kirche unter den Heiligen verherrlicht worden. Birgt dieser Zusammenhang für uns Orthodoxe eine tiefere Bedeutung, ein Zeichen?

 

Seit dem heiligen Konstantin war jeder orthodoxe Herrscher bestrebt, die Einheit im Volk unter die geistige Führung der heiligen Kirche Christi zu stellen. Dies gilt besonders für die großen byzantinischen Kaiser, unter welchen auch viele Heilige sind, und ebenso für deren Nachfolger in den anderen orthodoxen Ländern - bis hin zum russischen Zaren Nikolaus II, dessen Herrschaft letztendlich von seinem Volk verworfen wurde.

Bereits im Alten Testament verwarfen die 12 Stämme Israels die Gottesherrschaft (Theokratie) und wünschten sich einen König wie ihre Nachbarvölker. Gott kam Seinem Volk entgegen und bestimmte Saul zum König.

Am Ende des Königtums in Israel gab Gott Seinem Volk den Gottmenschen Jesus Christus, und wiederum verwarf Sein Volk seinen König und Gott.

Joh 19,15 Sie aber schrieen: Fort, fort mit ihm! Kreuzige ihn! Pilatus spricht zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? Die obersten Priester antworteten: Wir haben keinen König als nur den Kaiser!

Daraufhin lebte die Menschheit drei Jahrhunderte lang unter einem heidnischen Kaiser.

Es war die große Leistung des heiligen Kaisers Konstantin, die heidnische Mehrheit zu Christus zu führen und die Einheit der Kirche zu festigen. Symbolisch dafür steht der Beschluss des 1. Ökumenischen Konzils in Nizäa (325) über die gemeinsame Feier des Pas‘chafestes unter den Christen.

Die Kreuzigung Christi am Karfreitag ist für uns Christen eine furchtbare Inthronisation, Krönung und Königsepiphanie. Zu ihr führt uns die Große Fastenzeit hin. Dann aber nimmt die glorreiche Auferstehung unseres Herrn und Gottes und Retters Jesus Christus an Ostern diesem Vorgang die toddurchdrungene, schreckentragende Beklommenheit.

Kaiser Konstantin war es, einzigartig und allein, der das gesamte Römische Reich unter das Kreuz Christi stellte. Die grandiose Gründung Konstantinopels als einer christlichen Hauptstadt übertraf das heidnische Rom an Herrlichkeit; neben allen strategischen Gesichtspunkten ging es um die geistige Erneuerung, um die Einheit in Christus. Kein christlicher Kaiser bekam je die Gunst Gottes so zu spüren, wie sie der hl. Konstantin etwa durch die Auffindung des lebensschaffenden Kreuzes oder durch den Bau der Auferstehungskirche in Jerusalem erleben durfte.

Mit dem Fall der orthodoxen Monarchien sind wir in eine neue Epoche eingetreten. Sie fand mit dem Ersten Weltkrieg vor nunmehr hundert Jahren ihren blutigen Beginn, setzte sich im Zweiten Weltkrieg – vor 75 Jahren – fort. Das Jahr 2014 steht mithin im Zeichen dieser schrecklichen Ereignisse. Diese Epoche zeichnet sich dadurch aus, dass sie unserem Herrn Jesus Christus die Anteilnahme an unserem Leben verweigert. Gottes Wort ist in die Unverbindlichkeit der Privatsphäre verbannt worden.

 

Wo erfreut sich der heutige Mensch an der Einheit in Christus? An die Stelle von Familie, Vaterland und Kirche sind Interessengemeinschaften getreten. Einheit ist nur erstrebenswert, wenn sie einem bestimmten Interesse dient. Dabei ist der Mensch als einzigartige Person von seinem Schöpfer zu einem Leben im Wachstum angelegt. Er soll hineinwachsen vom eingeprägten Bild Gottes zum freiheitlich erworbenen Ebenbild. Da gilt es zuerst Vater und Mutter zu erkennen. Durch die Eltern erfahren die hilflosen, schutzbedürftigen Söhne und Töchter vom Leben in Gott, Kirche und Vaterland. Das 20. Jahrhundert hat die Reihenfolge auf den Kopf gestellt. Oft finden die Eltern, wenn überhaupt, erst durch ihre Kinder zu Gott. Wie aber soll der in die Welt hineingeborene Mensch zur Einheit befähigt werden, wenn ihm die Grundlage zur optimalen Entwicklung genommen ist? Warum will Christus nicht, dass Eltern sich scheiden? Nicht zuletzt wohl deshalb, weil das schutzlose, hilfsbedürftige Kind bis zum Erwachsenwerden in gesicherten Umständen leben soll. Darum stand die Ehe bislang unter dem besonderen Schutz des Staates. Das ist ein Erfolg christlicher Kultur! Im heidnischen Rom dachte man ganz anders.

 

Die wertvollste Offenbarung Christi war die Offenbarung Gottes als VATER. Welches Mittel steht Gott noch zur Verfügung um den verlorenen Menschen zum Urvertrauen in Ihn zurückzuführen, wenn nicht das Kreuz Gottessohnes? Wer, wenn nicht die Eltern, sollten diese Treue des Vaters abbilden und vermitteln? Besteht nicht die Einzigartigkeit der Person eben in der Beziehung zu Vater und Mutter als seinen Mit-Erzeugern nach Gott? Und findet das Abbild nicht gerade im dreieinigen Gott den Ursprung dieser Beziehung?

Es ist dies das gegenseitige Vertrauen, das die Elternschaft zu leben und nahezubringen berufen ist und – mit Gottes Hilfe – auch vermag. All das aber wird heute in Frage gestellt, erleidet rasante Veränderungen. Wir stehen in einer Umbruchsituation, wie sie einst der 1. Weltkrieg einläutete.

Dass die heutigen Volksstaaten wieder zu christlich-monarchischen Staaten werden, steht keineswegs zu erwarten. Seit über 120 Jahren aber kehrt das jüdische Volk in seine Heimat zurück. Das ist ein Ereignis, das von den heiligen Propheten des Alten Testaments vorausgesagt wurde und sich vor unseren Augen zur Tatsache erfüllt. Weisen diese so verschiedenen Prozesse nicht auf andere Erfüllungen hin? Sollten wir als Christen nicht von einer anbrechenden Endzeit sprechen?

Unser Fasten erschließt uns stets aufs Neue die endzeitliche Dimension der Ewigkeit. Lasst uns Treue üben in Demut. Enthaltung ist eine dynamische Kunstfertigkeit christlicher Kultur, sie bewahrt vor hedonistischem Überfluss.

 

Christus hat uns die Macht gegeben, Kinder Gottes zu sein (Joh. 1,12). Dies ist unsere wahre, königliche, Würde. Bewahren wir uns diese Würde.

Offb. 22,20 Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen. - Ja, komm, Herr Jesus!

Offb. 22,21 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen.

 

Stuttgart 2014

+Agapit, Bischof von Stuttgart