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Deutschland: erste Eindrücke

Die erste deutsche Stadt, die wir sahen, war Berlin. Sie übte jedoch keinerlei Eindruck auf uns aus, besonders nach Petersburg. Dafür gerieten wir von Dresden mit seinen alten rußigen Häusern in Verzückung, seinen gotischen Kirchen und seiner Brühlschen Terrasse, auf der wir zum ersten Mal beobachteten, wie die deutschen Frauen beim Stricken von Strümpfen mit einem Glas Bier, wunderbarer Musik und dem herrlichen Blick auf die Elbe ihre malerische Umgebung genossen. Nach Leipzig fuhren wir mit der Eisenbahn, aber von hier nach Frankfurt mussten wir mit Postkutschen reisen.

 

Die erste bemerkenswerte Station auf der Reise in unser neues Leben war die Stadt Weimar. Dort lebte zu jener Zeit die mit meiner Frau verwandte Familie Sabinin. Der damals schon recht alte Erzpriester Sabinin übte auf mich den seltsamen Eindruck eines russischen Priesters aus, der sich nach Figur und Kleidung in einen deutschen Pastor verwandelt hatte. Dazu sprachen in seiner Familie alle Mitglieder Deutsch, und die jüngeren Kinder verstanden überhaupt kein Russisch. Als ob es heute wäre, erinnere ich mich an eine Familienszene aus diesem Anlass. Der ob unserer unverhohlenen Verwunderung angesichts solcher Seltsamkeiten erregte ehrsame Greis begann, sich über seine Frau zu beklagen. Er machte ihr den Vorwurf, ihre Kinder dazu erzogen zu haben, nur Deutsch zu sprechen. Hier liebkoste er seinen kleinen Sohn und wandte sich mit den Worten an ihn: “Komm, mein guter Andreas, komm zu mir!” (Dieser Satz steht im Original auf Deutsch). Es war ersichtlich, dass sie sich alle in solchem Maß an das Deutsche gewöhnt hatten, dass sie selbst nicht mehr bemerkten, wie sie in die deutsche Sprache verfielen. All das verwunderte uns damals außerordentlich. Als Vater Sabinin sagte, dass er schon 24 Jahre im Ausland wohne, wurde ich nur angesichts des Gedankens, so viele Jahre außerhalb Russlands leben zu müssen, von Furcht ergriffen. Jetzt aber, wo ich diese Zeilen schreibe, lebe ich schon im 38-sten Jahr meines Dienstes im Ausland. Hätte mir damals jemand eine solch lange Frist vorausgesagt, so wäre ich wohl umgekehrt. So schrecklich und unmöglich erschien mir das damals. Und hier muss ich auch anmerken, dass mein derart langes Leben im Ausland keineswegs freiwillig war. Vielmehr wurde, wie aus dem weiteren Bericht zu sehen sein wird, mehrmals der Beschluss zur Rückkehr in die Heimat gefasst. Doch jedes Mal gestalteten sich die Umstände so, dass es nicht nur unmöglich war, meinen Posten zu verlassen, sondern mir auch sogar neue Verpflichtungen auferlegt wurden, die mich an den bisherigen Dienstort fesselten. Nicht umsonst sagt das Sprichwort: “Lebe nicht wie Du willst, sondern wie Gott befiehlt!”

Nach Frankfurt fuhren wir mit der Postkutsche und machten halt, da ich mich dort bei der Botschaft melden musste. Zu jener Zeit war der Botschafter beim Deutschen Bund der alte Obré, der noch sehr rüstig und lebendig war. Er erklärte mir, dass in Wiesbaden weder ein Kirchenraum, noch die Wohnungen für den Priester und den Klerus fertig seien, und wir deshalb einige Zeit in Frankfurt wohnen müssten. Indessen musste ich mich jedoch der Großfürstin und dem Herzog vorstellen. Obré fuhr mich nach Biebrich, wo ihre Hoheiten in ihrem bezaubernden Sommerschloss wohnten. Ich erinnere mich dabei an die väterlichen Belehrungen des guten Greises. Da er mich in das deutsche Leben einweihen wollte, nahm er für sich und mich Plätze in der zweiten Klasse der Eisenbahn. In der ersten Klasse, sagte er, würden nur Engländer reisen. Auf dem Weg gab er mir unter anderem solche Belehrungen: “In erster Linie hüten Sie sich davor, Geld an Russen auszuleihen. Und um Gottes Willen geben Sie keine Bürgschaft!”

 

Und tatsächlich waren diese Ratschläge angesichts der in Wiesbaden damals sich befindenden Spielbank für einen Neuling, und besonders einen Priester, keineswegs unnütz. Wie oft musste ich später an diese Warnung des guten Greises denken, der seinerseits natürlich aus der Erfahrung gelernt hatte. Wie viele Fälle gab es, in denen sich das Herz zusammenzog und dem pastoralen Gewissen Gewalt angetan werden musste angesichts irgendeines Familienvaters, der sein Vermögen gänzlich verspielt hatte, und keine Möglichkeit mehr hatte, in die Heimat zurückzukehren. Und wenn es auch geschah, dass ich dem Rat Obrés nicht folgte, so musste ich dafür teuer bezahlen oder in ständiger Furcht leben, bis die Bürgschaft endlich durch mehr oder weniger späte Bezahlung von meinen Schultern genommen wurde.

 

Nach dieser Vorstellung wurde beschlossen, dass wir nach Biebrich umziehen, wo uns eine Wohnung in einem der kleinen Häuser dieses kleinen Städtchens zugewiesen wurde. Doch bevor wir Frankfurt verlassen konnten, erreichte uns die traurige Nachricht vom Ableben der Großfürstin Alexandra Nikolajewna, und wir wurden zum Totengottesdienst nach Biebrich gerufen. Auf diese Weise war mein erster Gottesdienst bei der Großfürstin ein Trauergottesdienst. Es schien gleichsam ein Vorzeichen dafür zu sein, dass es mir beschieden sein sollte, anstatt der geistliche Vater ihrer Hoheit, bald der Priester an ihrer Grabkirche zu werden. Die Nachricht von diesem so unerwarteten Tode hinterließ einen tiefen Eindruck auf die Großfürstin Elisabeth Michailowna, um so mehr, als die Schicksale dieser beiden Großfürstinnen einander so ähnelten. Beide heirateten sie zu gleicher Zeit, beide erwarteten sie fast zu gleicher Zeit Nachwuchs. Man sagt, dass die Großfürstin Elisabeth Michailowna bei der Nachricht von diesem Tod erklärt habe, dass auch sie das gleiche Schicksal erwarte.

 

In Biebrich lebten wir zwei Monate, bis in der Rheinstraße in Wiesbaden das Haus für die Kirche und den Klerus vorbereitet war; und was für eine wunderbare Zeit war das! Ein Spaziergang in dem wunderbaren Biebricher Park oder am Ufer des Rheins, auf dem ständig Schiffe fuhren, die mit Touristen aller Nationen beladen waren. Als der Herbst einsetzte, beschlossen unsere Sänger, das Biebricher Publikum mit einem Konzert zu unterhalten, das aus einigen Stücken von Kirchenmusik und russischer Opernmusik zusammengestellt war. Dies brachte uns mit den Deutschen in näheren Kontakt, die uns bisher als recht ungewöhnlich empfunden hatten. Nicht etwa, weil sie noch keine Russen gesehen hätten, sondern weil wir den Klerus der Russischen Kirche darstellten, den sie bisher noch nie gesehen hatten.

 

Mich betitelte man mit Herr Pastor, und meine Frau mit Frau Pastor. Wie viel Geschwätz gab es, als man hörte, dass ich in der damaligen Situation 1500 Rubel oder 3000 Gulden erhielt. In jener Zeit war in Deutschland alles sehr billig, und 3000 Gulden stellten ein Ministergehalt dar. Selbst die Psalmisten mit ihren 500 Rubeln als Jahresgehalt riefen allgemeinen Neid hervor. Dafür hatten die Sänger der Großfürstin nur 600 Gulden oder 300 Rubel Gehalt, lebten damit aber wie die Deutschen sich ausdrückten – wie kleine Fürsten. Und tatsächlich litten sie auch keine Not. Einige erlaubten sich sogar Pferde zu leihen und zu reiten. Es gab eine Gefahr für diese jungen Leute – das Roulettespiel in Wiesbaden. Doch auf mein Betreiben hin wurden sie dem Gesetz der Ortsbewohner unterworfen, welche unter der Androhung von Bestrafung nicht einmal die Spielsäle betreten durften. Nur ein Psalmist, Schirokogorow, ergab sich dieser Leidenschaft. Er fuhr dafür heimlich nach Homburg, von wo er nicht selten zu Fuß zurückkehrte, nachdem er dort alles bis auf den letzten Pfennig verspielt hatte. Dann schloss er sich in seinem Zimmer ein, las Akathiste (er war Novize verschiedener Klöster) bis zum Erhalt des neuen Gehaltes, worauf er wieder heimlich nachts nach Homburg fuhr, sich und anderen versichernd, dass er schließlich eine große Summe gewänne, was ihm natürlich niemals gelang.